Medizin-Nobelpreis geht an zwei Australier



Die australischen Medizinprofessoren Robin Warren (l.) und Barry Marshall sind die Entdecker des Bakterium Helicobacter pylori (Foto vom 13.03.1997)


Stockholm - Für die bahnbrechende Entdeckung des Erregers von Magengeschwüren bekommen zwei Australier den Medizin-Nobelpreis 2005.

Die Ärzte Barry Marshall und Robin Warren hatten 1982 zur Verblüffung der Wissenschaftsgemeinde den Keim Helicobacter pylori als Hauptursache für Magengeschwüre und Magenschleimhautentzündungen identifiziert, wie das Karolinska-Institut am Montag in Stockholm erklärte. Daraufhin wurde eine schlagkräftige Antibiotika-Therapie entwickelt. So werden heute etwa 80 Prozent der behandelten Patienten geheilt, die ansonsten ihr Leben lang an dem «Magenteufel» gelitten hätten. «Diese Entdeckung hat das Leben hunderttausender Menschen drastisch verbessert», sagte Komiteesprecher Staffan Norrmark.

Früher galten vor allem Stress und ungesunde Lebensführung als Ursachen für diese Magenleiden. Heute wissen die Mediziner, dass der Erreger für 90 Prozent der Zwölffingerdarmgeschwüre und für 80 Prozent der Magenschleimhautentzündungen verantwortlich ist. In den schlimmsten Fällen kann sich auch Magenkrebs entwickeln. In Deutschland erkranken jährlich etwa 20 000 Menschen an bösartigen Magentumoren, die meist zum Tode führen. Die Zahl der Helicobacter- Infizierten hier zu Lande wird auf 20 bis 40 Prozent geschätzt.

Der Anruf des Nobel-Komitees erreichte Warren (68) und Marshall (54) in einer Kneipe im australischen Perth. «Als ich sie auf dem Handy erreichte, saßen sie zusammen in einer Kneipe und guckten aufs Wasser», berichtete Nobel-Komiteesekretär Göran Lindvall in Stockholm. «Sie waren beide völlig begeistert.» Die Australier hatten auch in den vergangenen Jahren jeweils zur Bekanntgabe des Medizin- Nobelpreises eine Verabredung in der Kneipe getroffen, weil sie schon seit längerem mit dem Anruf aus Stockholm gerechnet hatten.

«Die Arbeit von Marshall und Warren brachte eine der radikalsten und wichtigsten Wenden der vergangenen 50 Jahre in der Wahrnehmung eines Krankheitsbildes», lobte die Royal Society in London. Das Nobel-Komitee betonte, der Mediziner Marshall von der Universität von Westaustralien in Nedlands und sein Kollege Warren aus Perth hätten hartnäckig ein weit verbreitetes Dogma herausgefordert. «Das Verdienst der beiden ist es, an diesem Dogma gekratzt zu haben», sagte auch Wolfgang Rösch, Helicobacter-Experte am Krankenhaus Nordwest in Frankfurt am Main.

Komiteesekretär Lindvall unterstrich: «Der Preis zeigt, dass auch ganz normale klinisch arbeitende Ärzte bahnbrechende Entdeckungen machen können.» Marshall und Warren hätten sich gegen eine breite wissenschaftliche Front durchgesetzt und seien lange Zeit von vielen nicht ernst genommen worden.

Helicobacter pylori ist ein Bakterium mit langen Geißeln, das weltweit etwa jeder zweite Mensch im Magen hat - nur ein Teil davon bekommt jedoch Beschwerden. Durch verseuchte Getränke und Lebensmittel wird der Keim meist schon im Kindesalter aufgenommen. In den ärmeren Ländern ist das Problem größer als in den reicheren.

Ein Selbstversuch, bei dem Marshall 1983 nach dem «Genuss» einer großen Portion Helicobacter pylori eine starke Gastritis bekam, bewies letztlich den Verdacht. Der gefährliche Erreger kann mittlerweile problemlos mit einem Antikörper-, Atem- oder Stuhltest diagnostiziert werden. Eine siebentägige Behandlung mit einer Kombination aus Antibiotika und Magensäurehemmern merzt ihn dann aus. Allerdings warnen Forscher davor, diese Mittel unbedacht einzusetzen, denn der extrem wandlungsfähige Erreger zeigt bereits erste Resistenzen.

Eine wichtige Alternative ist somit die Entwicklung eines Impfstoffs: Erste Tests damit am Menschen laufen unter anderem in Berlin. Mit Ergebnissen rechnen die Forscher des Max-Planck-Instituts für Infektionsbiologie in zwei Monaten.

Die klassischen Methoden der Impfstoffherstellung wirken bei Helicobacter pylori nicht, weil das Bakterium in der Magenschleimhaut und damit in einer sehr ungewöhnlichen Nische des Körpers sitzt. «Antikörper spielen bei der Bekämpfung von Helicobacter daher kaum eine Rolle», sagte Institutsdirektor Thomas Meyer in einem dpa- Gespräch. Seine Gruppe testet einen Impfstoff an Probanden, die anschließend gezielt mit einem gut zu behandelnden Helicobacter-Stamm infiziert werden.

Eine frühzeitige Behandlung des Erregers kann auch gegen einen seltenen Tumor in den Lymphknoten der Magenschleimhaut helfen: Wenn eine solche Krankheit - sie trifft einen von 65 000 Menschen - rechtzeitig erkannt werde, lasse sie sich mit einem Antibiotikum bekämpfen, sagte Rösch.